Haus zu Lebzeiten vererben oder überschreiben

Das Eigenheim – ob Eigentumswohnung oder Haus - ist für viele Menschen persönlich, aber auch finanziell, ein sehr wertvolles Gut. Leider ist dies aber in einigen Fällen auch der zentrale Punkt bei Erbstreitigkeiten.

Deshalb ist es sinnvoll, sich möglichst früh mit der Übergabe der eigenen Liegenschaft auseinanderzusetzen und die notwendigen Weichen frühzeitig zu stellen. Dabei gilt es einige Punkte zu beachten. Wichtig ist, dass es in der gesamten Thematik kein Richtig oder Falsch gibt. Es gilt immer die individuelle Situation des Übergebers einerseits sowie des Übernehmers andererseits zu berücksichtigen. Folgende Punkte stehen dabei häufig zur Diskussion:

• Zu welchem Preis soll die Liegenschaft übergeben werden
• Art der Liegenschaftsübergabe: Verkauf, Abtretung auf Rechnung künftiger Erbschaft oder Schenkung
• Steuerliche Konsequenzen der Übergabe
• Auswirkungen auf Ergänzungsleistungen
• Ausgleichungspflicht der Erben
• Eintragung eines Wohnrechtes oder einer Nutzniessung
• Erbverträge

Guter Zeitpunkt für die Immobilienübergabe

Da die Liegenschaftsübergabe immer mit einem Vertrag entsteht, welcher notariell beurkundet werden muss, ist der Notar ein guter Ansprechpartner zur Klärung der erwähnten Punkte. Grundsätzlich gilt, je früher man sich mit der Übergabe des Eigenheims beschäftigt, desto besser. Gerade bei Abtretung auf Rechnung künftiger Erbschaft oder Schenkungen gilt es die Konsequenzen in Bezug auf die Thematik der Ergänzungsleistungen zu beachten. Den idealen Zeitpunkt für die Liegenschaftsübergabe gibt es aber nicht. Dieser muss individuell auf die gegebenen Umstände abgestimmt werden. Als Faustregel ist der Zeitpunkt um die Pensionierung ein guter Moment um sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Denn das Thema der Liegenschaftsübergabe ist eng mit der Altersvorsorge des Übergebers verknüpft. Deshalb sollte aus meiner Sicht stets auch die eigene Pensionsplanung vorgenommen werden, wenn man die eigene Liegenschaft übergeben will. Mit dieser Planung kann geschaut werden, welche finanziellen Mittel den Eltern nach der Übergabe zur Verfügung stehen müssen. Dies hat einen Einfluss, welche Übergabeart grundsätzlich in Frage kommt. Kann man es sich zum Beispiel leisten, die Liegenschaft zu schenken oder muss die Liegenschaft verkauft werden, um finanzielle Mittel für die Eltern zu generieren?

Ein weiterer wichtiger Faktor ist die individuelle Familiensituation. Die ganze Familie sollte in diese Entscheidungen miteinbezogen werden. Damit können zukünftige Unstimmigkeiten bereits von Anfang an vermieden werden. Obwohl es vielleicht mühsam sein kann, ist dies aus meiner Optik ein zentraler Faktor, damit der eingeschlagene Weg auch von allen involvierten Parteien in der Zukunft getragen wird.

Möglichkeiten Wohneigentum zu übertragen

Grundsätzlich gibt es folgende Varianten, um das Wohneigentum zu übergeben: Verkauf, Abtretung auf Rechnung künftiger Erbschaft oder Schenkung.

  • Verkauf

    Bei dieser Variante wird die Liegenschaft zum effektiven Marktwert verkauft. Wenn der Preis dem Verkehrswert entspricht, spielt es wertmässig keine Rolle, ob die Liegenschaft einem Dritten verkauft wird oder einem Kind abgetreten wird. In diesem Fall muss aber beachtet werden, dass allfällig eine Grundstückgewinnsteuer ausgelöst wird. Wichtig ist auch zu wissen, dass bei der Übergabevariante Verkauf die steuerlich relevante Besitzdauer zur Berechnung der Grundstückgewinnsteuer des Grundstückes unterbrochen wird. Bei dieser Variante besteht keine Ausgleichspflicht gegenüber Geschwistern oder auch keine zukünftigen Zahlungspflichten bezüglich allfälligen Ergänzungsleistungsansprüchen.

  • Grundstückgewinnsteuer

    Beim Verkauf einer Liegenschaft wird die Differenz zwischen Verkaufspreis und Anlagekosten (Erwerbspreis zuzüglich Aufwendungen) als Rohgewinn bezeichnet. Vom Rohgewinn wird anschliessend der Besitzdauerabzug und allenfalls eine Verlustanrechnung in Abzug gebracht. Dies ergibt den steuerbaren Grundstückgewinn, welcher zu einem festgelegten Steuersatz versteuert werden muss. Hier können Sie die Grundstückgewinnsteuer berechnen.

  • Schenkung/Erbvorbezug

    Grundsätzlich dürfen Eltern zu Lebzeiten frei entscheiden, ob sie ihre Liegenschaft an ein Kind schenken wollen. Bei einer reinen Schenkung muss beachtet werden, dass alle Kinder wertmässig gleichbehandelt werden, da eine Schenkung immer auch ausgleichspflichtig ist. Diese Ausgleichspflicht unter den gesetzmässigen Erben kommt bei Eintritt des Erbfalls zum Tragen. Dies bedeutet, dass die Schenkung wertmässig zum Erbe dazugerechnet wird. Wenn also ein Kind eine Liegenschaft zu Lebzeiten der Eltern geschenkt erhalten hat, hat dieses Kind den Wert dieser Liegenschaft als Erbanteil bereits erhalten und muss diesen Wert mit den Miterben wieder ausgleichen, falls nicht genügend andere Vermögenswerte in der Erbschaft zur Verteilung zur Verfügung stehen.

    Der Erbvorbezug ist nach Erbrecht eine besondere Form der Schenkung, wobei die Ausgleichspflichten der gesetzlichen Erben bereits zum Zeitpunkt des Erbvorbezuges zum Tragen kommen und geregelt werden.

  • Abtretung auf Rechnung künftiger Erbschaft

    Die Abtretung auf Rechnung künftiger Erbschaft ist immer eine Mischform zwischen Verkauf und Schenkung. Dabei tritt der Eigentümer die Liegenschaft dem neuen Besitzer zu den aktuellen Schulden ab. Es wird ein Anrechnungswert festgelegt. Dieser kann unter dem effektiven Marktwert der Liegenschaft liegen. Die Differenz zwischen Anrechnungswert und der übernommenen Hypothek muss dabei im Erbfall wieder ausgeglichen werden.

Festsetzung des Preises bei der Übergabe

Der Preis oder Wert der Liegenschaft ist bei einer Übergabe egal ob Verkauf, Abtretung oder Schenkung immer von zentraler Bedeutung. Empfehlenswert dabei ist den Liegenschaftswert durch einen unabhängigen Schätzer bestimmen zu lassen. Auch wenn der Anrechnungswert nicht zu diesem Wert stattfinden soll, hat man damit eine neutrale Diskussionsgrundlage innerhalb der Familie, um den Anrechnungswert festzulegen. Hier gilt es zu erwähnen, dass der amtliche Wert, welcher als Grundlage für die Vermögensteuer gilt, in der Regel tiefer liegt als der effektive Marktwert einer Liegenschaft. Im Kanton Bern wurden die amtlichen Werte im Jahr 2020 angepasst, diese liegen jedoch nach wie vor zum grössten Teil rund 20 bis 40 Prozent unter einem effektiv erzielbaren Verkaufserlös.

Damit die "Abtretung auf Rechnung künftiger Erbschaft" keine Steuerfolgen auslöst, darf dem Abtreter kein Geld aus der Liegenschaftsübergabe zufliessen und die Abtretung maximal zu den bestehenden Schulden auf der Liegenschaft erfolgen. Dabei ist wichtig, dass gewisse Absicherungsinstrumente wie beispielsweise ein Vorkaufsrecht oder eine Gewinnbeteiligung gegenüber Geschwistern eingeräumt werden.

  • Vorkaufsrecht

    Das Vorkaufsrecht berechtigt eine Person, im Falle des Liegenschaftsverkaufes die Liegenschaft für sich selbst zu beanspruchen, bevor diese an eine Drittperson verkauft wird. Bei einem limitierten Vorkaufsrecht wird der Preis des Kaufes bereits vertraglich fixiert. Bei einem unlimitierten Vorkaufsrecht gilt der Preis, welcher der Verkäufer mit der Drittperson abgemacht hat.

  • Gewinnbeteiligungsrecht

    Dabei verpflichtet sich der Übernehmer der Liegenschaft gegenüber den Miterben, sie im Falle eines Liegenschaftsverkaufes am allfälligen Gewinn zu beteiligen. Damit kann verhindert werden, dass der Übernehmer die Liegenschaft zu einem Vorzugspreis übernehmen und anschliessend zum Marktpreis veräussern kann, ohne die Miterben an diesem Gewinn teilhaben zu lassen.

Übernahme der Hypothek bei einer Liegenschaftsübergabe

Wenn eine Liegenschaft an die Nachkommen abgetreten wird, besteht in den meisten Fällen auch noch eine Hypothek auf der Liegenschaft. Diese kann in der Regel durch die Nachkommen übernommen werden. Die Bank prüft grundsätzlich die Finanzierung für die Übernehmer bezüglich Belehnung und Tragbarkeit, da diese als neue Schuldner gegenüber der Bank in der Pflicht stehen. Dabei gelten dieselben Kriterien, wie bei einer Neufinanzierung, die erfüllt werden müssen. Falls noch laufende Festhypotheken vorhanden sind, können diese Konditionen mitübernommen werden.

Übergabe der Liegenschaft mit Wohnrecht oder Nutzniessung

Wenn die Eltern die Übergabe der Liegenschaft zwar bereits regeln wollen, gibt es auch die Möglichkeit die Liegenschaft unter Vorbehalt eines Wohnrechtes oder Nutzniessung zu übertragen.

Beim Wohnrecht können die Eltern die Liegenschaft weiterhin selbst bewohnen. Das Wohnrecht ist immer persönlich. Das heisst, eine anderweitige Vermietung ist mit dem Wohnrecht nicht möglich. Da bietet eine Nutzniessung die grössere Flexibilität. Beim Wohnrecht gilt es auch zu überlegen, ob dies entgeltlich oder unentgeltlich ist. Falls die Eltern später ins Altersheim ziehen, ist es sinnvoll, beim Wohnrecht eine Löschung vorzusehen, damit die Wohnung anschliessend vermietet werden kann und nicht blockiert ist. Bei der Variante Wohnrecht müssen die Eltern den Eigenmietwert als Einkommen und ihr Kind als Eigentümer den amtlichen Wert der Liegenschaft als Vermögen versteuern.

Bei der Nutzniessung können die Eltern die Liegenschaft auch weiterhin selbst bewohnen, sie haben aber zusätzlich auch die Möglichkeit, diese zu vermieten. Im Fall einer Nutzniessung müssen die Eltern den amtlichen Wert als Vermögen und den Eigenmietwert oder die Mieterträge als Einkommen versteuern. Somit bleibt bei der Nutzniessung in steuerlicher Hinsicht alles beim Alten. Meist ist die Nutzniessung grundsätzlich die bessere Variante, da sie umfassend und klar geregelt ist. Die Nutzniessung kann bei Bedarf in ein Wohnrecht umgewandelt werden. Der umgekehrte Weg ist nicht mehr so einfach möglich.

In beiden Fällen ist zu berücksichtigen, dass sowohl das Wohnrecht als auch die Nutzniessung im Grundbuch eingetragen sind und sich wertvermindernd auf die Liegenschaft auswirken.

Einfluss der Liegenschaftsübergabe auf Ergänzungsleistungen

Zur Berechnung für den Anspruch auf Ergänzungsleistungen wird das Einkommen wie auch das Vermögen berücksichtigt. Dabei bilden Liegenschaften sowohl Vermögens- wie auch Einkommensbestandteile für die Berechnung der Ergänzungsleistungen. Beim Einkommen wird beispielsweise der Mietwert der eigenen Liegenschaft angerechnet. Eine Anrechnung erfolgt auch bei einer Nutzniessung oder einem Wohnrecht. Seit der Reform des Bundesgesetzes über die Ergänzungsleistungen (EL) per 1. Januar 2021 wurde das Vermögen stärker in die Berechnungsgrundlagen für einen Anspruch auf Ergänzungsleistungen eingebunden. Zudem wurde eine Rückzahlungspflicht von Erben eines EL-Bezügers ab dem 1. Januar 2021 eingeführt.

Unabhängig von der Reform muss diese Thematik bei der Abtretung einer Liegenschaft immer im Auge behalten werden. Grundsätzlich ist die Abtretung einer Liegenschaft (mit Nutzniessung oder Wohnrecht) an ein Kind definitiv und entsprechend nicht anfechtbar. Das heisst, dass zum Beispiel das Sozialamt nicht auf eine bereits übergebene Liegenschaft als solches zurückgreifen kann. Falls die Liegenschaft zu einem tieferen Preis als der Verkehrswert übergeben worden ist, kann das Sozialamt den eigentlichen Wert der Liegenschaft als Verzichtsvermögen bei den Eltern anrechnen und allenfalls die Ergänzungsleistungen kürzen oder streichen. Diese Umstände sind bei der Übergabe respektive Abtretung zu beachten und zu prüfen.

Auch Schenkungen werden als freiwilligen Vermögensverzicht angesehen, der dann wieder dem Vermögen der Eltern angerechnet wird. Akzeptiert sind grundsätzlich nach wie vor Vermögensabgänge von CHF 10'000 pro Jahr (bei einem Vermögen unter CHF 100'000) bzw. 10% des Vermögens über CHF 100'000.

Bezogen auf die neue Rückzahlungspflicht, könnte eine frühzeitige Übergabe der Liegenschaft eher attraktiv sein. Denn wenn letztlich das Nachlassvermögen weniger als CHF 40'000.00 beträgt, entfällt die Rückerstattungspflicht. Das bedeutet, dass Liegenschaften, welche bereits vor dem Tod an die Nachkommen übergeben wurden, nicht im Nachlassvermögen angerechnet werden. Weitere Details zu den Ergänzungsleistungen finden Sie bei der Ausgleichskasse des Kantons Bern.

Erbverträge

Aus meiner Sicht gehört bei der Diskussion der Liegenschafsübergabe auch die Diskussion eines Erbvertrages dazu, damit das verbleibende restliche Vermögen optimal geregelt werden kann. Mit dem Erbvertrag können das gesamte Erbe und die entsprechende Zuteilung unter den Erblassern und den Erben verbindlich und unwiderruflich geregelt werden. Die Bindungswirkung ist dabei höher als die bei einem Testament, weil der Erbvertrag nicht einseitig geändert werden darf. 

Kosten einer Liegenschaftsübergabe

Die Kosten sind individuell. Die Notariatskosten werden bei einer Schenkung auf dem amtlichen Wert berechnet. Beim Verkauf oder auch der Schuldübernahme ist der eingesetzte Preis die Basis zur Gebührenberechnung. Die Kosten werden vom Notar immer vor der eigentlichen Verschreibung mitgeteilt. Bei einer Übergabe innerhalb der Familie ist keine Handänderungssteuer geschuldet. Indirekt muss man eine allfällige Grundstücksgewinnsteuer im Auge behalten.

Erste Schritte bei der Liegenschaftsübergabe

Die Themenfelder rund um die Liegenschaftsübergabe sind vielmals komplex und auch miteinander verknüpft. Es lohnt sich deshalb, sich frühzeitig mit dem Thema auseinanderzusetzen und auch die notwendigen Fachpersonen beizuziehen. In einem ersten Schritt ist es aber wichtig, dass das Thema innerhalb der Familie offen diskutiert werden kann und alle involvierten Personen ins Boot geholt werden, um eine gemeinsame möglichst optimale Lösung zu finden.

Liegenschaft im Alter

Sind Sie interessiert, welche Finanzierungsmöglichkeit Ihnen bei der Pensionierung zur Verfügung stehen und wie das Vorgehen bei Ihrem Eigenheim ist? Dann lesen Sie unseren Beitrag zum Thema Liegenschaft im Alter.

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Anrede*

Ein Beitrag von

Marco Loosli

Bereichsleiter Finanzieren I Stv. Vorsitzender der Geschäftsleitung

dipl. Betriebsökonom FH, Eintritt 1999, als Bereichsleiter Finanzieren ist er für das Kreditportfolio der Bank sowie für die Kundenberatung im Kreditbereich verantwortlich und betreut zudem einen eigenen Kundenstamm. Durch die langjährige Praxiserfahrung ist er ein kompetenter Gesprächspartner in sämtlichen Bankthemen mit einem speziellen Augenmerk auf den Finanzierungsbereich.