Liegenschaft im Alter
Es finden sich viele Artikel über die Finanzierungsmöglichkeiten von Wohnliegenschaften bei Pensionierten oder Personen kurz vor dem Pensionsalter. Diese Bevölkerungsgruppe wird laufend grösser und wir werden immer älter, sodass das Thema an Bedeutung zunehmen wird. Ältere Personen haben häufig einen Teil ihrer Hypotheken amortisiert. Durch anstehende Unterhaltsarbeiten an der Liegenschaft oder benötigter Liquidität zur Bestreitung des dritten Lebensabschnittes kann sich aber auch für ältere Personen ein zusätzlicher Finanzierungsbedarf ergeben. Die Möglichkeiten einer Hypothekarerhöhung oder einer neuen Hypothek in dieser Situation sind in der Praxis sehr unterschiedlich. Die Unsicherheiten für die betroffenen Personen sind deshalb gross.
Liegenschaft im Alter – Finanzierungsmöglichkeiten
Jedes einzelne Bankinstitut wendet ihre eigenen Richtlinien und Kreditprüfungsgrundsätze an. Es kann daher keine allgemeingültige Aussage gemacht werden, unter welchen Bedingungen ältere Personen eine Finanzierung bei einer Bank erhalten.
Wir zeigen Ihnen nachfolgend auf, welche Möglichkeiten konkret bei der Spar- und Leihkasse Frutigen AG in Bezug auf die Finanzierungsmöglichkeiten im Alter bestehen. Dabei sind immer die Kriterien der Belehnung sowie der Tragbarkeit relevant.
Belehnung der Liegenschaft
Die Belehnung der Liegenschaft sagt aus, wie hoch die Schuld im Verhältnis zum Verkehrswert ist. Grundsätzlich darf die Schuld nicht höher als 80% des Verkehrswertes sein. Zusätzlich gibt es noch die Unterscheidung von 1. Hypotheken sowie 2. Hypotheken. Bei der 1. Hypothek liegt die Belehnung der Liegenschaft unter 67 % des Verkehrswertes. Bei der 2. Hypothek liegt die Belehnung zwischen 67% bis 80% des Verkehrswertes. Im Grundsatz muss die 2. Hypothek innert 15 Jahren oder bis spätestens zur Pensionierung amortisiert werden. Die Begründung für diese Grundsatzregel ist, dass das Einkommen mit dem Renteneinkommen meist geringer ist, als zum Zeitpunkt der Erwerbstätigkeit und daher die Schuld reduziert werden soll.
Was passiert nun, falls jemand kurz vor der Pensionierung oder bereits nach der Pensionierung seine Hypothek über die 1. Hypothek aufstocken will, um notwendige Sanierungsarbeiten an der Liegenschaft vorzunehmen? Bei der Spar- und Leihkasse Frutigen AG wird bereits vor dem ordentlichen Pensionsalter die finanzielle Situation auch für die Zeit nach der Pensionierung geprüft. Falls die Tragbarkeit für den Schuldner nach der Pensionierung mit einer 2. Hypothek gegeben ist, darf die Belehnung auch nach der ordentlichen Pensionierung über 67% liegen. Die Amortisation der 2. Hypothek muss wiederum auf maximal 15 Jahre erfolgen. Diese Regelung gilt nicht nur für Hypothekarerhöhungen, sondern auch für neue Hypotheken bei Liegenschaftskäufen (Beispielsweise beim Kauf einer Alterswohnung).
Benötigt der Kunde zusätzliche Mittel im 3. Lebensabschnitt, welche nicht in die Liegenschaft fliessen, so ist eine Erhöhung bis zur 1. Hypothek (67% des Verkehrswertes) möglich. Auch in diesem Fall muss die Tragbarkeit gegeben sein.
Tragbarkeit
Die Tragbarkeit ist ein weiteres Kriterium, welches bei einem Hypothekargeschäft geprüft wird. Dabei dürfen die kalkulatorischen Wohnkosten maximal 1/3 des Bruttoeinkommens betragen. Bezogen auf die Thematik Hypotheken im Alter bedeutet das, dass die Wohnkosten maximal 1/3 der Renteneinkommen (AHV- und Pensionskassenrenten) betragen dürfen. Je tiefer das Renteneinkommen ist, desto geringer sollte die Belastung in der Tragbarkeitsberechnung ausfallen. Allenfalls eingehende Mietzinsen aus Teilvermietung der Liegenschaft können den Kosten abgezogen werden. Zudem dürfen auch bestehende Vermögenswerte als Teileinkommen (Vermögensverzehr) angerechnet werden. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass beispielsweise bezogenes Pensionskassenkapital, welches in Wertschriften angelegt wurde, als Teileinkommen berücksichtigt werden kann.
Spezialfälle und individuelle Prüfung
Speziell gilt es hier die Fälle zu erwähnen, bei welchen eine Zusatzfinanzierung für die Deckung der Alters- oder Pflegeheimkosten notwendig ist. Bei diesen Finanzierungen gilt es zu berücksichtigen, dass die Liegenschaft allenfalls vermietet werden kann. Die Tragbarkeitsberechnung wird in diesen Fällen meistens auf die eingehenden Mietzinsen abgestützt.
Grundsätzlich ist es sinnvoll, sich frühzeitig mit der Bank in Verbindung zu setzen, damit wir die Situation prüfen und eine optimale Beratung machen können. Jede Finanzierung wird bei der Spar- und Leihkasse Frutigen AG individuell geprüft und die gesamte Situation des Kunden beurteilt.
Beispiel Tragbarkeitsberechnung für Eigentumswohnung von CHF 450'000.00
Betrag | Angaben in Prozent | |
---|---|---|
Verkehrswert/Kaufpreis (100%) |
450'000.00 |
|
Eigenkapital (20%) |
90'000.00 |
|
Hypothek (80%) |
360'000.00 |
|
Kalkulatorische Zinskosten 5% auf Hypothek |
18'000.00 |
|
Amortisation 2. Hypothek innert 15 Jahren |
3'900.00 |
|
Neben- und Unterhaltskosten (1% des Verkehrswertes) |
4'500.00 |
|
Total Kosten pro Jahr |
26'400.00 |
33% |
Total Kosten pro Monat |
2'200.00 |
|
Jährliches Mindestrenteneinkommen |
79'200.00 |
100% |
Liegenschaft im Alter – Übergabe der eigenen Wohnliegenschaft
Ein wichtiger Bestandteil bei der gesamten Thematik rund um die Liegenschaft im Alter ist die Übergabe der eigenen Wohnliegenschaft. Wer eine allfällige Übergabe nicht rechtzeitig plant, läuft Gefahr die Liegenschaft zur Deckung von Alters- und Pflegeheimkosten veräussern zu müssen.
Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten einer Liegenschaftsübergabe und jede Lösung hat verschiedenste Konsequenzen für die Zukunft. Es gilt finanzielle, steuerliche, vorsorgliche und familiäre Interessen möglichst optimal unter einen Hut zu bringen.
Im Interview mit Notar Hans Martin Hadorn, Spiez, sind wir den wichtigsten Punkten und Fragen der Liegenschaftsübergabe nachgegangen.
Wie ist das Vorgehen, wenn man sein Wohneigentum übergeben will?
Die Abtreter sollten sich überlegen, wann, warum und an wen sie das Wohneigentum übergeben möchten sowie nach Möglichkeit die ganze Familie in diese Überlegungen mit einbeziehen. Falls die Altersvorsorge noch nicht geplant ist, sollte dies gemacht werden, damit der finanzielle Spielraum für die Übergabe des Wohneigentums definiert werden kann. Für die konkrete Umsetzung macht anschliessend ein Beratungsgespräch beim Notar Sinn.
Welche Punkte sind bei der Übergabe besonders wichtig?
Die Abtreter sollten ihre Pensionsplanung gemacht haben und abschätzen können, zu welchen finanziellen Bedingungen die Übergabe des Wohneigentums statt finden kann. Kann man es sich leisten, das Wohneigentum mit der Auflage zu verschenken, dass die aufhaftende Hypothek übernommen wird oder sind die Abtreter darauf angewiesen, dass eine Entschädigung bezahlt wird? Je nach Ausgangslage wird die Art der Übergabe gewählt.
Es gilt zu entscheiden, wer das Wohneigentum übernimmt. Wenn dies nicht durch alle Nachkommen zu gleichen Teilen geschieht, stellen sich Bewertungsfragen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Eltern ihre Kinder meist gleich behandeln wollen. Es lohnt sich, die Frage der Gleichbehandlung der Kinder offen und transparent zu besprechen. Diese Vorgehensweise schafft Vertrauen und Akzeptanz. Rechtlich ist der Einbezug der nicht übernehmenden Kinder jedoch nicht zwingend.
Welche Möglichkeiten gibt es, sein Wohneigentum weiterzugeben?
Falls die Abtreter nebst der Ablösung oder Übernahme der Hypothek auf eine Geldzahlung angewiesen sind oder eine solche wünschen, wird ein Kaufvertrag abgeschlossen. Sollte es ausreichen, die bestehende Hypothek auf die Übernehmer zu überbinden, steht ein Schenkungsvertrag oder ein Abtretungsvertrag auf Rechnung künftiger Erbschaft im Vordergrund. Ein Abtretungsvertrag auf Rechnung künftiger Erbschaft ist eine Schenkung an einzelne Erben, verbunden mit der Auflage, den übrigen Erben den festgelegten Wert des Wohneigentums zu einem zu bestimmenden Zeitpunkt auszugleichen.
Zu welchem Preis soll eine Wohnliegenschaft übergeben werden? Was sind die steuerlichen Konsequenzen?
Unproblematisch ist der Verkauf zum Verkehrswert oder die Schenkung an alle Erben zu gleichen Teilen bzw. im Verhältnis der Erbquote. In beiden Fällen wird niemand bevorzugt.
Bei Übertragungen von Wohneigentum an einzelne Kinder wird häufig vom Verkehrswert abgewichen, um dem Übernehmer die Finanzierung zu ermöglichen oder auch nur um zu gewichten, dass das Wohneigentum der Familie erhalten bleibt. Ein Abweichen vom Verkehrswert ist zulässig und ohne Weiteres möglich. Ein häufig verwendeter Wert ist der Amtliche Wert. Falls der Anrechnungswert tiefer ist als der Wert, der bei einem Drittverkauf erziehlt werden könnte, rate ich jedoch dazu, ein Gewinnbeteiligungsrecht und allenfalls ein Vorkaufsrecht zu Gunsten der nicht übernehmenden Kinder in den Vertrag aufzunehmen. Wie erwähnt lohnt sich gerade in diesen Fällen der Einbezug aller Beteiligten. So können spätere Diskussionen vermieden werden.
Der Kaufvertrag kann eine Grundstückgewinnsteuer auslösen. Zudem wird die steuerlich relevante Besitzdauer unterbrochen. Übertragungen mit Überbindung der Hypothekarschuld führen zu einem Steueraufschub. Die Abtreter müssen keine Grundstückgewinnsteuer bezahlen. Die Besitzdauer wird in diesen Fällen nicht unterbrochen.
Handänderungssteuern fallen weder bei einem Verkauf an direkte Nachkommen noch bei der Schenkung bzw. der Abtretung auf Rechnung künftiger Erbschaft an.
In welchen Situationen ist die Eintragung einer Nutzniessung oder eines Wohnrechtes sinnvoll?
Falls die Abtretung des Wohneigentums primär zum Zwecke der Sicherung des Wohneigentums erfolgt, sollten sich die Abtreter meiner Meinung nach die Nutzniessung am Wohneigentum vorbehalten. Nach heutiger Gesetzgebung ist auf diese Weise sichergestellt, dass die Abtreter für die Finanzierung allfälliger Pflegekosten nicht mehr zum Verkauf gezwungen werden können. Ansonsten verändert sich nicht viel. Die Abtreter versteuern das Wohneigentum unverändert, sorgen für den gewöhnlichen Unterhalt und bezahlen die anfallenden Hypothekarzinsen, die Versicherungsprämien und die übrigen Nebenkosten. Sie sind auch berechtigt, das Wohneigentum zu vermieten und behalten die Kontrolle über das Wohneigentum. Bei Bedarf kann die Nutzniessung jederzeit in ein Wohnrecht umgewandelt werden.
Es kann aber auch Gründe geben, ein (entgeltliches oder unentgeltliches) Wohnrecht zu begründen. Ein Wohnrecht sichert dem Wohnrechtsberechtigten das persönliche Bewohnen des Wohneigentums zu den zu definierenden Bedingungen zu. Der Wohnrechtsberechtigte versteuert den Eigenmietwert und übernimmt die vereinbarten Kosten. Ansonsten übernimmt der neue Eigentümer die Kosten des Wohneigentums. Das Wohnrecht schafft eine mietähnliche Situation, mit der zusätzlichen Sicherstellung dieser Wohnberechtigung im Grundbuch.
Welchen Einfluss hat eine Übergabe in Bezug auf die Ergänzungsleistungen?
Diese Thematik muss bei der Abtretung einer Liegenschaft immer im Auge behalten werden. Klar ist, dass auf abgetretenes Wohneigentum nicht zurückgegriffen werden kann. Möglich ist jedoch, dass dieses im Rahmen der Festsetzung der Ergänzungsleistung als Verzichtsvermögen aufgerechnet und die Ergänzungsleistung darauf hin gekürzt oder verweigert wird. Diesfalls wird der Sozialdienst unterstützungspflichtig. Der Sozialdienst ist wiederum berechtigt, im Rahmen der Verwandtenunterstützungspflicht zu prüfen, ob die Nachkommen der Abtreter gestützt auf ihr steuerbares Einkommen oder Vermögen allenfalls zu einem Beitrag verpflichtet werden können, wobei die Freibeträge ziemlich hoch sind. In Bezug auf die Ergänzungsleistung ist es grundsätzlich von Vorteil, die Übergabe des Wohneigentums möglichst früh zu machen, da ein allfällig festgestelltes Verzichtsvermögen pro Jahr um CHF 10‘000.00 reduziert wird.
Informationen Februar 2016