Neue Perspektiven durch Zinssenkungen
SLF-Aktuell: Anlegen - Juli 2025
Am 19. Juni 2025 sorgte die Schweizerische Nationalbank (SNB) erneut für Aufmerksamkeit, als sie den Leitzins um 25 Basispunkte auf exakt null Prozent senkte. Es war bereits die sechste Zinssenkung seit März 2024. Diese Massnahme erfolgte in einem wirtschaftlich und geopolitisch anspruchsvollen Umfeld. Während andere grosse Zentralbanken wie die US-amerikanische Federal Reserve (Fed) und die Europäische Zentralbank (EZB) weiterhin vorsichtig agieren, zeigt die SNB klare Entschlossenheit. In der Schweiz scheint die Phase der restriktiven Geldpolitik vorerst beendet. Für Anlegende stellt sich nun die zentrale Frage, welche Auswirkungen diese Wende auf verschiedene Anlageklassen hat und ob ein günstiger Zeitpunkt für eine strategische Neuausrichtung gekommen ist.
Die Schweizer Geldpolitik
Die SNB hat sich in der Vergangenheit stets als eigenständiger Akteur im internationalen geldpolitischen Kontext positioniert. Auch aktuell beweist sie Mut und Entschlossenheit. Nachdem der Leitzins im Jahr 2023 einen Höhepunkt bei 1,75 Prozent erreichte, bewegt er sich jetzt wieder bei null. Entscheidenden Einfluss auf diesen Kurswechsel hat die Entwicklung der Teuerung, welche mit –0,1 Prozent faktisch negativ war.
Ein zusätzlicher Einflussfaktor ist der starke Schweizer Franken. Er dämpft die Inflation, belastet jedoch gleichzeitig die Exportwirtschaft. Die SNB reagiert darauf pragmatisch. Sie nutzt ihren geldpolitischen Handlungsspielraum, um Preisstabilität zu sichern und die Konjunktur zu stützen. Diese Strategie ist nicht nur für die Schweiz von Bedeutung, sondern setzt auch international ein deutliches Signal.
Anleihen
Anleihen gehören zu den Anlageklassen, die am direktesten auf Zinsveränderungen reagieren. Die Senkung des SNB-Leitzinses führte zu Kursgewinnen, vor allem bei Papieren mit längerer Laufzeit. Schweizer Staatsanleihen, die lange Zeit aufgrund niedriger Renditen wenig Beachtung fanden, rücken wieder stärker ins Blickfeld konservativer Investoren.
Auch Unternehmensanleihen mit hoher Bonität gewinnen an Attraktivität. Die sinkenden Refinanzierungskosten wirken sich positiv auf die Unternehmensbilanzen aus, wodurch das Risiko sinkt. Für Anleger/innen, die aus Vorsicht hohe Cash-Bestände hielten, bieten CHF-Anleihen nun eine interessante Alternative mit stabilen Perspektiven und überschaubarem Risiko.
Immobilien
Der Schweizer Immobilienmarkt war in den vergangenen Jahren erheblichen Belastungen ausgesetzt. Steigende Hypothekarzinsen führten zu rückläufigen Transaktionen und stagnierenden Preisen, insbesondere in urbanen Gebieten. Die aktuellen Zinssenkungen bringen wieder Entlastung.
Hypotheken sind seit 2022 wieder deutlich günstiger geworden. Das erleichtert nicht nur Privatpersonen den Zugang zum Wohneigentum, sondern bietet auch Projektentwicklenden neue Spielräume. Zwar lässt sich noch keine allgemeine Trendwende feststellen, doch es zeichnen sich erste Signale der Stabilisierung ab.
Börsennotierte Immobiliengesellschaften, die besonders empfindlich auf Zinsänderungen reagieren, haben bereits mit Kursgewinnen auf die SNB-Entscheidung reagiert. Das Vertrauen in eine allmähliche Erholung scheint also wieder zu wachsen.
Aktien
Die Schweizer Börse reagierte auf die geldpolitische Lockerung mit vorsichtigem Optimismus. Besonders zinssensitive Sektoren wie Versorger, Banken und Immobilienwerte profitierten deutlich. Auch Wachstumsunternehmen erhielten Rückenwind, da ihre zukünftigen Erträge nun mit geringeren Zinssätzen abdiskontiert werden, was sich positiv auf die Bewertungen auswirkt.
Dennoch zeigt sich nicht jede Branche im Aufschwung. Der starke Franken stellt exportorientierte Unternehmen wie Maschinenbauer oder Chemiekonzerne vor Probleme. Ihre Produkte werden international teurer, was sich negativ auf Umsatz und Margen auswirkt.
Attraktiv erscheinen in diesem Umfeld dividendenstarke Aktien. Sie bieten stabile Erträge und gewinnen in einem Nullzinsumfeld erneut an Bedeutung. Für risikoaverse Anleger/innen, die auf der Suche nach Erträgen ohne extremes Kursrisiko sind, stellen sie eine sinnvolle Alternative dar.
Internationaler Vergleich
Im Gegensatz zur SNB verfolgen andere Zentralbanken weiterhin einen vorsichtigeren Kurs. Die EZB hat zwar im Frühsommer 2025 die Zinsen leicht gesenkt, bleibt jedoch unentschlossen über das weitere Vorgehen. Die US-Notenbank hält trotz nachlassender Inflation an ihrem restriktiven Kurs fest und stützt sich dabei auf einen weiterhin stabilen Arbeitsmarkt.
Für die Schweiz bedeutet es, dass der Zinsunterschied gegenüber dem Ausland mindestens konstant gehalten oder sogar weiter ausgebaut wurde. Dadurch wird der Franken für internationale Investoren weniger attraktiv, was den Aufwertungsdruck auf den Franken etwas reduziert. Mit einer proaktiven Lockerung will sie einer übermässigen Frankenstärke entgegenwirken, ohne auf direkte Deviseninterventionen zurückgreifen zu müssen.
Fazit
Mit der jüngsten Zinssenkung hat die SNB ein deutliches Signal gesetzt: Die Ära steigender Zinsen ist zumindest vorübergehend beendet. Für Anlegende bedeutet dies ein verändertes Umfeld mit neuen Chancen, aber auch mit neuen Herausforderungen. Obligationen erscheinen wieder attraktiv, Immobilien könnten von einer Erholung profitieren und auch Aktien bieten, gezielt ausgewählt, vielversprechende Perspektiven.
Eine durchdachte strategische Neuausrichtung des Portfolios kann jetzt sinnvoll sein. Weniger Liquidität, mehr Substanz. Wer auf eine kluge Mischung aus CHF-Anleihen, dividendenstarken Titeln und stabilen Sachwerten setzt, positioniert sich für eine Phase, in der die Zentralbank erneut unterstützend wirkt – und nicht bremsend. Umsicht und Weitblick sind dabei entscheidender denn je.
Redaktionsschluss per 01.07.2025